Leicht, breit und aero? Wer den Leeze CH 40 Gravel Basic ans Gravelbike montiert, muss in keinerlei Hinsicht Kompromisse eingehen, außerdem ist der Radsatz ebenso steif, wie er preisgünstig ist. Velomotion hat sich genau angeschaut, wie die Firma aus dem Münsterland das hinbekommt.
Wirklich exotisch sind Carbonlaufräder heute nicht mehr. Dass sich das Fasermaterial gut für die Fertigung von Felgen eignet, zweifelt niemand mehr an – zumal, seit diese nicht mehr von der Bremse in die Zange genommen werden. Wo man früher am Rennrad ein gewöhnungsbedürftiges Bremsverhalten und potenzielle Probleme mit der Wärmeabfuhr akzeptieren musste, kann man sich beim Gravelbike nun ohne Einschränkungen an den positiven Eigenschaften von Carbonlaufrädern erfreuen.
Leichter Radsatz mit tiefen Felgen
Und was sind diese nun genau? Im Vergleich zu Aluminium ein geringeres Gewicht, na klar, kombiniert mit einer deutlich größeren Freiheit bei der Formgebung. Wie das aussehen kann, macht Leeze mit dem CH 40 Gravel Basic vor. „Basic“ steht bei den Laufradspezialisten aus dem Münsterland für ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis: Für knapp 900 Euro stehen drei unterschiedliche Laufradsätze zur Auswahl; neben dem Gravel-Modell zwei Ausführungen fürs Rennrad mit 38 bzw. 50 mm tiefen Felgen. Beim Gewicht kann der CH 40 Gravel Basic gleich punkten: 770 Gramm wiegt das Vorderrad, 860 Gramm das Hinterrad, jeweils mit Tubeless-Felgenband – also 1.630 Gramm, was angesichts der Maße der Felgen überrascht. Diese sind nämlich 40 mm tief, bauchig ausgeformt und satte 33 mm breit; dazu kommt eine Maulweite von knapp 25 mm. Und noch etwas ist beim Leeze-Radsatz ungewöhnlich: Die Felgen sind hakenlos, was einerseits ihre Fertigung einfacher macht und etwas Gewicht spart, sich andererseits aber positiv auf den Reifensitz auswirkt.
Bei der klassischen Drahtreifenfelge ist die Flanke nach innen eingezogen, wodurch ein Vorsprung entsteht, unter dem sich die Reifenwust einhakt. Auch bei extrem hohem Druck kann der Reifen dadurch nicht von der Felge springen; andererseits wird der Reifen von den Haken deutlich eingeschnürt, was sich auf seine Form auswirkt und den Seitenhalt reduziert – bei Kurvenschräglage und weniger hohem Druck neigt der Reifen dann dazu, oberhalb der Felgenflanke abzuknicken.
Stabiler Sitz dank Hookless-Felge
Anders bei der Hookless-Felge: Hier kann sich der Reifen breiter abstützen, was für besseren Seitenhalt sorgt und einen gleichmäßigeren Übergang von der Felge zum Reifen ergibt. Dem steht zwar ein geringerer Maximaldruck gegenüber – die ETRTO (European Tyre and Rim Technical Organisation) gibt 5 bar vor –, doch das ist bei breiten Gravel-Reifen kein Problem: Der Schwalbe G-One R, den wir auf dem Leeze-Radsatz fuhren, darf mit maximal 4,5 bar befüllt werden. Die hakenlose Felge ist erfahrungsgemäß auch bei der Reifenmontage überlegen: Tubelessreifen lassen sich leicht montieren und dichten gut ab.
Leeze gibt den CH 40 Gravel Basic für Reifen ab 35 mm Breite frei, womit der Radsatz wirklich „Gravel-only“ ist; das Pendant fürs Rennrad, der CC 38 Disc Basic, kommt mit Hakenfelge für hohen Druck und schmale Reifen. Die breite Offroad-Felge zeichnet sich auch durch ihre asymmetrische Form aus, die man eigentlich nur am Kragen der Ventilbohrung erkennt – damit soll den besonderen Belastungen im Gelände Rechnung getragen werden.
Gute Technik in klassischer Nabe
Neben den Carbonfelgen wirken die von Leeze verbauten Naben erst einmal recht konventionell mit ihren traditionell gebohrten Flanschen und jeweils 24 zweifach gekreuzten Speichen – die teureren EVO-Laufräder kommen mit leichteren Nabenkörpern, die mit Straight-pull-Speichen aufgebaut werden. Das Innenleben ist jedoch sehenswert: Die Achsen laufen auf gedichteten Rillenkugellagern, wobei gegen Aufpreis Keramiklager geordert werden können; für Kraftschluss sorgen vier Sperrklinken, die von Edelstahlblechen in die feine Innenverzahnung am Nabenkörper gedrückt werden. 48 Rastschritte sorgen für ein schönes Surren und minimalen Leerweg beim Antreten. Der Freilaufkörper kann mit geringer Handkraft abgezogen werden, was sehr praktisch ist, wenn man den Laufradsatz an Bikes mit unterschiedlichen Schaltsystemen (z. B. 11-fach/12-fach) nutzt, welche unterschiedliche Kassetten und damit Freilaufkörper nötig machen. Neben dem Standard-Shimano-Freilauf hat Leeze auch den Sram XDR sowie beide Campagnolo-Varianten (12-f./13-f. Ekar) im Programm.
Felgen, Naben und Speichen werden im Hause Leeze nach dem händischen Einspeichen von einem speziellen Zentrierautomaten auf Spannung gebracht, der auf 0,2 mm genau zentriert und die Speichen abdrückt, was den Aufwand beim Nacharbeiten reduziert. So ist für perfekten Rundlauf gesorgt (zumal von Hand auf 0,1 bis 0,15 mm nachzentriert wird), außerdem für eine hohe Steifigkeit dank optimaler Speichenspannung.
Leichte Reifenmontage, dichter Sitz
Leeze liefert seine Laufräder mit eingeklebtem Tubeless-Felgenband aus, sodass die Reifen gleich montiert werden können. Das Aufziehen der Schwalbe G-One R in 40 mm Breite geht mit geringer Handkraft über die Bühne; zum Befüllen reich eine konventionelle Standpumpe. Auch ohne Montageflüssigkeit ploppt der Reifen rundherum gleichmäßig ins Felgenbett; das scharfe Knallen, das bei Hakenfelgen das „Einrasten“ der Reifenwulst unters Felgenhorn anzeigt, bleibt bei der Hookless-Felge freilich aus. Dafür hält der Reifen auch ohne Dichtmilch dauerhaft die Luft.
Mit einer echten Breite von knapp 39 mm ragt der Reifen seitlich nur um wenige Millimeter über die Felge hinaus – schon optisch ist das etwas ganz Anderes als die Birnenform eines Gravel-Reifens auf einer konventionellen, schmalen Felge. Vor allem aber zeigt sich, dass der Reifen bereits bei einem Druck um 2,3 bar sehr stabil auf der Felge sitzt und bei Kurvenschräglage kein bisschen schwammig wirkt – auf Asphalt ebenso wenig wie im Gelände. Der Laufradsatz selbst ist gefühlt seitensteif; Antriebs- wie Bremskräfte werden sehr direkt übertragen. Ob die bauchige Form der Felgen Vorteile in Sachen Vibrationsdämpfung bietet, ist angesichts des stoßmindernden Reifenvolumens schwer zu sagen. Aussagen zur Aerodynamik sind ebenfalls schwierig – auf jeden Fall kann man den 40 mm tiefen Felgen attestieren, dass sie sich bei Seitenwind völlig neutral verhalten. Mit einem 35er Reifen, der dann kaum noch breiter ist als die Felge, müsste die Aerodynamik der Theorie nach ziemlich gut sein.
Klar, 900 Euro sind immer noch eine ordentliche Summe für einen Laufradsatz – zumal am Gravelbike, wo oft auf eher schlichtes, schweres Material gesetzt wird. Wer jedoch auf geringes Gewicht, optimales Harmonieren von Felgen und Reifen sowie eine potenziell gute Aerodynamik Wert legt, kommt an diesem Radsatz kaum vorbei, zumal vergleichbare Laufräder anderer Anbieter durch die Bank einige Hundert Euro teurer sind – und aktuell vielleicht gar nicht lieferbar. Dazu bietet Leeze ein großzügiges Crash-replacement-Programm an; davor, im Gelände mal etwas härter zu fahren, muss man also keine Angst haben…
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